Strange Angels: Verraten by St. Crow Lili

Strange Angels: Verraten by St. Crow Lili

Autor:St. Crow, Lili [St. Crow, Lili]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41261-9
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-11-15T16:00:00+00:00


Ins Bootshaus zu kommen, war nicht schwierig. Es hatte eine schlichte Holztür und einen Riegel, an dem einst wohl ein Vorhängeschloss gehangen hatte, der nun aber weitestgehend durchgerostet war. Ich sah mich nach irgendwelchen Anzeichen um, dass hier jemand wohnte. Nichts. Vorsichtig schob ich die Tür mit meinem Fuß auf und zuckte zusammen, als die rostigen Angeln kreischten. Dann ging ich hinein. Mein Messer war wie von selbst aus meiner Tasche in meine Hand gewandert, allerdings wünschte ich, dass ich stattdessen eine Waffe gehabt hätte.

Alles war vollkommen verfallen. Ein Boot war verrottet und unter die gläserne Wasseroberfläche in der Mitte gesunken. Ein anderes hing darüber an rostigen Ketten und sah aus, als hätte es seit ungefähr zwanzig Jahren niemand mehr angefasst. Löcher klafften in den Seiten, und die Ketten schienen ebenfalls nicht mehr verlässlich.

In den Ecken vergammelten aufgewickelte Taue. Es roch nach Schimmel und Moder sowie dem metallischen Gestank von Schmelzwasser aus dem Fluss. Bei jedem Schritt sank der Boden unter meinen Füßen ein bisschen ein.

Und auf der anderen Seite, wo ein Ruderboot unter einer schwer aussehenden Plane auf dem Sandboden lag, tauchte er einfach auf.

Christophe trat aus dem Schatten. Seine blauen Augen funkelten. Sein blondgesträhntes Haar, das immer nach einem extrateuren Schnitt aussah, saß makellos. Er ließ die Hände an seinen Seiten baumeln, als hätte er sie bis eben hochgehalten. Was hatte er denn vorgehabt? Hatte er geglaubt, ich wäre ein Feind?

Etwas in mir brodelte. Ich stieß einen hohen Mädchenlaut aus. Gleichzeitig klickte mein Messer, und die Klinge schnellte heraus.

Super. Absolut super! Alles, was ich mir für diesen Moment überlegt hatte, war wie weggeblasen. Ich stand da neben einem Haufen modernder, gammliger Holzlatten und starrte ihn an. »Du hast mich belogen!« Ich klang, als hätte jemand mir in den Magen geboxt.

»Hallo gilt gemeinhin als die angemessenere Begrüßung.« Er hob eine Schulter und senkte sie wieder. Ein Apfel-Zimt-Hauch erreichte mich, legte sich hinten in meine Kehle und reizte den Bluthunger. »Und inwiefern soll ich dich angeblich belogen haben, Dru?«

Jedes Mal, wenn ich ihn sah, war es, als hätte ich vergessen, wie perfekt seine Gesichtszüge aufeinander abgestimmt waren. »Ein Sechzehntel, hast du gesagt! Du hast gesagt, jemanden wie dich nennt man ein Halbblut, dabei wärst du rein technisch gesehen ein Sechzehntelblut!«

»Ah! Wird das ein Vortrag über die Feinheiten der Vererbungslehre?« Dennoch verdunkelte seine Miene sich. Offenbar ahnte er, wohin dieses Gespräch führte.

Eine Sekunde lang dachte ich, wie befriedigend es wäre, ihn zu schlagen, all die Wut herauszulassen, die sich hinter meinen Rippen staute, und zu sehen, ob er mich immer noch so leicht hin- und herschubsen konnte. »Sergej.« Der Name fühlte sich wie ein scharfer Wutstachel in meinem Kopf an. »Dein Vater.«

Christophe wurde vollkommen still. Seine Augen aber glühten, und obwohl er die Daumen in die Jeanstaschen gehakt hatte, waren seine Hände und seine Schultern sichtlich angespannt. Er starrte mich eine Weile stumm an, den Kopf ein wenig seitlich geneigt, als hätte er eben einen prima Einfall gehabt, den er nur noch kurz überdenken wollte, ehe er sich in Bewegung setzte.

»Wer hat es dir erzählt?«, fragte er schließlich.



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